Lassen die USA Europa im Stich?
Der amerikanische Isolationismus und die Präsidentschaftswahlen
An der Reichmuth & Co Lecture No. 25 durften wir Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ, begrüssen. Er zählt zu den herausragendsten Journalisten im deutschsprachigen Raum und hielt am 30. Oktober 2024 in der Universität Luzern einen spannenden Vortrag.
Die Angst vor einem Sieg Donald Trumps sei in Europa zu einer Hysterie geworden, sagt Eric Gujer an der Reichmuth & Co Lecture No. 25, die er im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen am 30. Oktober 2024 an der Universität Luzern gehalten hat. Dabei werde sich für die Europäer selbst bei der Wahl von Kamala Harris nichts Wesentliches an den Problemen und Herausforderungen in den Beziehungen zu den USA ändern. Die Zeiten, in denen die USA ungefragt und selbstverständlich Europas Sicherheit garantierten, seien endgültig vorbei, sagt der Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung». Zudem werden die USA international nicht mehr im gleichen Ausmass die Regeln der Vereinten Nationen durchsetzen können wie zwischen 1990 und 2020. Denn die USA seien heute nicht mehr die einzige Weltmacht wie nach dem Kalten Krieg.
Neue Mächte wie China, Russland, Nordkorea und der Iran forderten den Westen heraus. In der neuen multipolaren Weltordnung müsse sich erst wieder ein neues Machtgleichgewicht finden. Derzeit herrsche eine Unordnung vor, die besonders gefährlich sei, da es keinen Hegemon mehr gebe. Der Westen könne die Regeln der neuen Weltordnung nicht mehr allein bestimmen, sondern müsse sich mit Mächten wie China oder Indien auf einen neuen Grundkonsens des Zusammenlebens einigen, führte Gujer aus. Für Europa bedeute dies, dass es seine Verteidigung stärker selbst in die Hand nehmen müsse. Auch in der Schweiz werde mehr Geld in die Aufrüstung fliessen müssen, obschon sie von der Sicherheit der Europäischen Union profitiere.